In dieser Kolumne berichtet uns Zauberer Jan Martensen (Kieler Urgestein, Gründungsmitglied des Grusellabyrinths, gewählter Lieblingskieler, seit 20 Jahren Vegetarier, im echten Leben Lehrer für Deutsch, Geschichte und Theater) über seine Ansichten auf unsere Stadt, die er durch seine vielfältigen Projekte erhält. Eben Kiel backstage, Kiel „hinter der Bühne“.
Kiel backstage: Blickwinkel
Moin!
Wir Künstler sind sehr eng befreundet mit Konferenzen und Tagungen jeder Art, denn: Viele Veranstalter wünschen sich für ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen den arbeitsintensiven Blöcken etwas Unterhaltung und Kurzweil und engagieren daher Showacts. Wenn Sie mal auf die Internetseiten einiger Kollegen schauen, werden Sie unter den Referenzen meistens auch Firmen finden, die Sie mit Künstlern oder „Shows“ nicht in Verbindung bringen würden. Pharmafirmen, Versicherungen, Banken – ein Tagungspublikum, das meistens sehr dankbar ist für die unterhaltsame Ablenkung vom Konferenzalltag. Oft habe ich im Rahmen meiner Auftritte für solche Veranstaltungen vor und nach dem Auftritt kurzen (bis sehr langen) Aufenthalt in den Fluren vor dem Saal oder hinter der Hauptbühne. Ich betrachte meistens die Auslagen der Infostände oder lese die Veranstaltungsflyer nochmals durch. Und dann kommt sie. Die kausale Gedankenkette: „Das ist aber schon ein seltsamer Verein, 3 Tage Workshops zu Zahnspangen/Glasbruchversicherung/Abschneidevorrichtungen bei Mähdreschern“ – „Aber alle scheinen sehr interessiert zu sein“ – „Was die wohl über uns Zauberer auf unseren Kongressen denken?!“. Erwischt! Eben noch fühlte ich mich als Künstler irgendwie leicht „lost“ zwischen den Menschen mit ungewöhnlichem Interessensschwerpunkt – und ZACK sitze ich selber auf dem Zauberkongress „Nordisch Nobel“ meines Freundes Daniel Mayer in Lübeck und schaue stundenlang total glücklich einem Amerikaner dabei zu, wie er gezogene Karten ohne hinzuschauen wiederfindet. Was wohl der Hausmeister über uns denkt? Oder der Muggel, der im Foyer nur nach dem Weg fragen will. Wahrscheinlich das, was ich jahrelang bei den Kieferorthopäden dachte: „Huch, die sind aber alle lustig“. Letztlich ist es dort so wie hier – man trifft alte Kollegen (in Lübeck waren zum Beispiel die Kieler Jeff de Fire, Florian Fränz, Stephan Pareigis und Christian Krauss) und quatscht mal wieder. Länger. Sehr lange. Eventuell auch über sehr seltsame Dinge, zum Beispiel Kartenwiederfinden oder Zaubertischbeleuchtungen. Alternierend dann wohl über Zahnspangenmetalle/Kundenquoten/Heuballenschnitt. Ich habe mich nun mehrfach dabei ertappt, wie ich Servicemitarbeitern oder Glasbruchversicherern mal dieselben Fragen stelle, die wir Zauberer immer zu hören bekommen: Wie geht der Trick (sooooo viele Gläser auf einmal), seit wann machen Sie das, ist schon mal was schiefgegangen? Meistens ergeben sich so neben der Bühne tolle Gespräche über „die andere Seite“ mit vielen Anekdoten. Und dann weiß ich: Sooooo seltsam sind die gar nicht, diese Mähdrescherleute, eigentlich haben wir total viel gemeinsam. Es kommt auf den Blickwinkel an. Immer.