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Kiel backstage: Etikettenschwindel

In dieser Kolumne berichtet uns Zauberer Jan Martensen (Leiter des Kinderzauberclubs De Twiel, Gründungsmitglied des Grusellabyrinths, gewählter Lieblingskieler, seit über 20 Jahren Vegetarier, im echten Leben Lehrer für Deutsch, Geschichte und Theater) über seine Ansichten auf unsere Stadt, die er durch seine vielfältigen Projekte erhält. Eben Kiel backstage, Kiel „hinter der Bühne“.

Kiel backstage: Etikettenschwindel

Moin!

„Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit einem freundlichen Applaus…“ – so oder so ähnlich wünschen sich die meisten Galakünstler die letzten Worte des Ansagers. Freundlich, nicht zu viel vorwegnehmend und vor allem: stimmungsempathisch. Eine leise Nummer braucht keine Mallorca-Ansage – eine Tempojonglage freut sich, wenn die Anmoderation schon etwas anheizt. Meistens. Der Moderator oder Gastgeber sollte also gewisse Sensoren für die Laune der Zuschauer und die Art und Weise der Darbietungen haben. Warum erzähle ich Ihnen das? Ich habe mit meinem Kollegen Andreas Schauder telefoniert – Sie werden ihn sicher kennen, er macht als sehr norddeutscher Fischer Kai die Stadt unsicher und erklärt Touristen und Einheimischen, wie wir hier so funktionieren („Sie kommen als Fremde, aber am Ende sind Sie alle Fischermanns Friends!“). Wie das dann halt so ist, wir kommen von Thema zu Thema und landen irgendwann beim Künstler-Dauerbrenner „Ansagen“. Hach ja, da erlebt man schon so einiges. Von der liebevoll vorbereiteten, witzigen, Publikums-orientierten Kurzansage (siehe oben) bis zum sehr langatmigen (leider oft falschen) Zitieren eines veralteten Homepage-Textes. Andreas also erzählt mir von einem Erlebnis, das diverse vorangegangene toppte. Kurz bevor er seine sehr lustige und kurzweilige Einlage spielen sollte, kam der Chef der zur Weihnachtsfeier versammelten Firma noch schnell auf die Wirtschaftslage zu sprechen: „…und, nun, wir hoffen wirklich sehr, dass wir knapp zwei Drittel der Belegschaft im nächsten Monat werden halten können. Gleich tritt der Künstler mit seiner lustigen Einlage hier bei uns auf. Amüsieren Sie sich! Und das war keine Bitte!“ - Oh. Unglaublich, oder?

Als mein Kinderzirkus und ich vor 10 Jahren in einer Einrichtung für Seniorinnen und Senioren eingeladen waren, spürte ich die große Anspannung der Geschäftsführerin – es war gerade erst eine lange Renovierungsphase beendet worden – so dass ich sie nur um eine sehr kurze Ansage bat, die ich Ihr auch notierte: „Hier nun für Sie! Die Kinder von „Zirkus O …das Varieté! Bühne frei!“. So einfach, so gut. Leider vergaß sie ihre Brille und zitierte aus der Erinnerung. Der Jingle startete und sie rief aus voller Brust: „Liebe Bewohnerinnen und Bewohner, es ist soweit! Ich bitte um volle Aufmerksamkeit, Herbert, nicht wieder schnacken! Hier sind für Sie: MARCO UND SEINE ZAUBERBANDE! Und los!“

Liebe Leserin, lieber Leser, ich wünsche Dir eine tolle Weihnachtszeit und viel Glück für 2016! Dein Marco.