In dieser Kolumne berichtet uns Zauberer Jan Martensen (Kieler Urgestein, Gründungsmitglied des Grusellabyrinths, gewählter Lieblingskieler, seit 20 Jahren Vegetarier, im echten Leben Lehrer für Deutsch, Geschichte und Theater) über seine Ansichten auf unsere Stadt, die er durch seine vielfältigen Projekte erhält. Eben Kiel backstage, Kiel „hinter der Bühne“.
Kiel backstage: Freundschaft!
Moin! Kennen Sie den Spruch „Das Gegenteil von Freund ist Parteifreund“? Einige meiner Kollegen behaupten, in der Künstlerszene sähe es ähnlich aus, man gönne sich nicht mal das „Schwarze unter den Nägeln“. Bei diesem Satz wird mir gleich doppelt schlecht – erstens ist das ein ekliges Bild, zweitens sollte doch die Kunst frei von Negativem sein. Klar, wir sind ein bunter Haufen, das ist völlig unstrittig – oder glauben Sie, man kann ganz normal sein, wenn man wie meine Freunde auf der Bühne im Kostüm des „Deutschen Roten Herz“ mit Knochen jongliert (Frau Schmerzlos), sein Gesicht in wenigen Minuten dutzendfach verwandelt (Maskenzauberer Tonga) oder das Publikum mit einer gekochten Packung Spaghetti in Lachanfälle peitscht (Werner Orlowski vom Zauberhaften Varieté)? Aber (ein schöneres Wort an dieser Stelle ist: Gleichwohl) das ist doch auch in Ordnung. Gerade weil wir Künstler Dinge präsentieren, die eben nicht normal sind, werden wir doch gebucht, beklatscht, erinnert! „Normal“ kann doch auch im Leben nie das Ziel sein. Für niemanden. Ich jedenfalls habe die verschiedensten Persönlichkeiten der Kleinkunst- und Varietéwelt immer als spannenden Gewinn empfunden. Man lernt so aufregende Leute kennen, die man sonst nie getroffen hätte. Hinrich Fiedler zum Beispiel, er ist der sehr eloquente und wahnsinnig sympathische Gründer und das Gesicht von Baltic Catering (ja, der, der auch die Ballonfahrten macht). Mit den Anekdoten und Geschichten, die er mir in der letzten Weihnachtszirkusspielzeit so ganz nebenbei erzählt hat, könnte ich zwei Jahre Kolumnen schreiben. Wenn ich knapp zusammenfasse. Hoffentlich schreibt er mal ein Buch. Apropos. Ich empfehle Ihnen heute mal zwei Spitzentitel, die sehr treffend schildern, wie es so hinter den Kulissen einer deutschen Festlichkeit zugeht. Der fantastische Zauberkünstler Topas hat vor einem halben Jahr „Jungfrau gesucht, Säge vorhanden“ veröffentlicht, Sie werden es lieben. Für die DJ-Zunft ist Thomas Sünder zum Sprachrohr geworden: „Wer Ja sagt, darf auch Tante Inge ausladen“ – ich habe Tränen gelacht, vor allem, weil es so wahr ist, was er schreibt.
Zurück zum Stück. Ich weigere mich einfach, hinter jeder Ecke Missgunst zu vermuten – und bin damit seit 1993 auch dufte gefahren. Gut, ich habe auch schon erlebt, dass Kunden meine Kontaktdaten verlegt hatten und einen alteingesessenen Zauberer nach meiner Nummer fragten – und er ihnen ausführlich erklärte, warum er eigentlich viel besser und günstiger sei. Brutus! Aber das ist eigentlich nichts zum Verzweifeln, sondern zum hysterischen Lachen (so, wie man auch lachen würde, wenn es hieße „Kader Loth wird Bundeskanzlerin“ oder so). Und zum Mitleid haben. Aber doch kein Grund, gleich die ganze „Szene“ für bösartig zu halten. Oder? Ich ruf‘ jetzt mal Hinni an.