In dieser Kolumne berichtet uns Zauberer Jan Martensen (Gründungsmitglied des Grusellabyrinths, gewählter Lieblingskieler, seit 20 Jahren Vegetarier, im echten Leben Lehrer für Deutsch, Geschichte und Theater) seine Ansichten auf unsere Stadt, die er durch seine vielfältigen Projekte erhält. Eben Kiel backstage, Kiel „hinter der Bühne“.
Kiel backstage: Parallelwelt
Moin! Ich habe die Kieler Woche in vollen Zügen genossen. Sie auch? Nur an einem Tag habe ich die Stadtmitte abends verlassen, um für die Mutter einer Freundin aufzutreten, ein 70. Geburtstag mit fast 80 Gästen, edler Gasthof am Stadtrand. Es wird getanzt und gelacht, Irene hatte Glück und kann mit vielen lieben Menschen feiern. Als ich nach meiner Show nochmals zu ihr gehe und sie frage, ob sie denn auch schon auf der Kieler Woche war, lehnt sie brüsk ab: „Nein, zu voll, zu laut, zu teuer, ich bin zu alt für sowas“. Ich schaue mich um und sehe das riesige Buffet, die befrackten Kellner, den wunderbaren DJ und viele tanzende Rentner, Enkel, Freunde – und muss schmunzeln.
Während Irene also nach ihrem Geschmack weiterfeiert, fahre ich zurück in die Innenstadt und finde nach nur 25 Minuten Umdenpuddingfahren einen legalen (!) Parkplatz (!) in Wohnungsnähe (!), hui. Für einige Minuten überlege ich, ob ich statt kurzzeitigem Nutzer zum gefühlten Besitzer dieses Parkplatzes werden möchte, leider muss ich zwei Tage später ja aber irgendwie in die Schule kommen. Früher hatte ich mal so ein Schild im Fenster, auf dem „Zauberer im Einsatz“ stand. Das kann hilfreich sein, wenn man kreativ parkt, da man der letzte ist, der zu einem Fest erscheint, und der erste, der wieder geht. Seit den großen Harry-Potter-Zeiten jedoch ist der Begriff Zauberer leider semantisch in eine solche Schieflage geraten, dass die Muggel einen für esoterisch-fragwürdig halten. Zurück zum Stück. Ich bin wie berichtet eingeladen, Hanne Pries und ihre Band Tiffany hinter der Bühne zu begleiten. Sie spielen auf der NDR-Bühne und eine Woche später im Musikzelt, beide Locations verfügen über ein großzügiges Backstage, beide haben es geschafft, dieses in eine angenehme Wohlfühlzone zu verwandeln. Es gibt sogar einen entspannten Koch und viele Sofas. Auch die Sicherheitsmänner und Techniker sind eingespielt und trotz hoher Professionalität wirklich witzig. Hanne und die Jungs sagen, dass sie die Kieler-Woche-Auftritte auch besonders wegen der freundlichen Teams mögen würden. Generell sollten die erfolgreichen Projekte, die Kieler Künstlern ein Forum bieten, wie die fantastische Junge Bühne im Schlossgarten, mehr wertgeschätzt werden. Und wenn dann zum Beispiel der NDR seinen Platz mit einer lokalen Tanzkapelle voll bekommt, ist das doch ein richtiges Zeichen. Bitte nicken Sie jetzt!
Lustigerweise liefen dann an beiden Tagen die Dinge ähnlich, Hanne hatte mehrere Outfits und zog dann doch das an, was sie sowieso als erstes in der Hand hatte, Sänger Arne hatte mehrere Outfits und zog dann das einzige an, was gebügelt war. Viele Tausend Zuschauer erlebten zwei Konzerte, die anders waren, als ein „normaler“ Bandauftritt. Tiffany hat sich nie verbiegen lassen, sie sind einfach echt. Die launischen Moderationen, die sehr direkte und echte Interaktion mit dem Publikum („Habt Ihr Montag auch zu Ersten?“) und die handwerklich schlicht sehr gut gemachte Musik garantierten je 3 Stunden Dauerparty. Mein Freund Jeff wird schon nach dem ersten Konzert sagen, Tiffany, das sei anständige Tanzmusik mit Haltung. Recht hat er. Danke.