In dieser Kolumne berichtet uns Zauberer Jan Martensen (Kieler Urgestein, Gründungsmitglied des Grusellabyrinths, gewählter Lieblingskieler, seit 20 Jahren Vegetarier, im echten Leben Lehrer für Deutsch, Geschichte und Theater) über seine Ansichten auf unsere Stadt, die er durch seine vielfältigen Projekte erhält. Eben Kiel backstage, Kiel „hinter der Bühne“.
Kiel backstage: Sicherheitsdenken
Moin!
Heute muss ich Ihnen etwas gestehen: Ich fühle mich wohler, wenn ich weiß, was gerade eben, gerade jetzt und auch gleich um mich herum und mit mir passiert. Auf den ersten Blick passt das ja nun mal so gar nicht zusammen mit spontaner Publikumsinteraktion oder Auftritten vor fremden Leuten. Oh doch, und zwar nur aus einem Grund: Erfahrung. Fast alles, was man tut, macht man besser, wenn man es wiederholt. Käsekuchen, Fitnessübungen, Heiratsanträ…, also, Sie wissen ja, was ich meine. Durch fleißige Vorbereitung also kann ich nahezu ausschließen, dass mir bei Auftritten ein technischer (Zauberseil reißt) oder inhaltlicher (falscher Name der Jubilarin) Fehler unterläuft – aber was ist mit dem Publikum? Ich kann ja schlecht jedem vorher eine Zauberer-Jan-Gebrauchsanweisung schicken: „Der Künstler wünscht, nicht beim Zaubern gefilmt zu werden, außerdem mag er es, wenn Sie an folgenden Stellen spontan sehr stark applaudieren…“. Ich muss mich also fast blind darauf verlassen, dass es schon irgendwie gut geht. Und wissen Sie was? Es geht immer irgendwie gut. Das wurde mir klar, als ich begann, mich mehr mit den anderen Dienstleistern vor Ort zu unterhalten. Gastronomen, Kellner, DJs, Sicherheitspersonal. Es ist übrigens recht amüsant, finde ich, wenn man beobachtet, wie die Sicherheitsmänner nach vorne den Gorilla geben, hinter der Bühne aber auch mal ein Käsebrot essen, ihre Frau („Hallo, Mausi“) anrufen oder über ein Kabel stolpern. Hinzu kommt, dass sie meistens sehr professionelle Zuschauer sind: „Ich habe schon so viele Sachen gesehen, das glaubt man kaum…“. Wenn der Techniker oder Kellner lacht, war der Gag neu und wahrscheinlich brauchbar. Für mich sind die Mitarbeiter einer Spielstätte auch deswegen wertvolle Ratgeber („Warum stehst Du an der Stelle immer so komisch? Das machst Du jeden Abend!“), viele sogar alte Bekannte. Zum Beispiel Ela, die früher unsere Partys im Grusellabyrinth bewachte und heute zum Beispiel auf der Kieler Woche einem sehr vollen und sehr lauten Kölschtresen Sicherheit gibt. Hat ja auch durchaus Parallelen. Oder Eric, mit dem ich Dutzende wirklich schöne Veranstaltungen gemeinsam erlebte. Was haben wir gelacht - und manchmal auch gelitten – haben Sie schon mal versucht, ein Zweimastzirkuszelt im Matsch aufzubauen?
Natürlich kommt es bei jedem Zusammentreffen vieler Menschen zu unvorhergesehenen Ereignissen, natürlich funktioniert nicht jedes Mikrofon in jeder Show, natürlich gibt es mal einen Stromausfall. Aber: Wir haben bisher noch jedes Kind irgendwie geschaukelt, ich schaukele wie gesagt mittlerweile sogar: gelassen. Menschen wie Ela und Eric haben mir das über die Jahre nebenbei beigebracht - und diese Sicherheit, dieses beruhigende Gefühl, dass es schon irgendwie klappen wird, tut gut.
So eine Einstellung ist natürlich wenig hilfreich, wenn Sie einen Fallschirmsprung vorbereiten oder eine Holtenauer Schleusenklappe auswechseln, aber bei Shows und Kunst im Allgemeinen geht es ja um das individuelle Gesamterlebnis und die Details. Wenn der eine Witz heute nicht funktioniert, probiere ich halt morgen einen anderen. Eventuell ja sogar einen besseren. Mal sehen.