← Zurück

Kiel backstage: Zeitpläne

In dieser Kolumne berichtet uns Zauberer Jan Martensen (Leiter des Kinderzauberclubs De Twiel, Gründungsmitglied des Grusellabyrinths, gewählter Lieblingskieler, Vegetarier seit 1994, im echten Leben Lehrer für Deutsch, Geschichte und Theater) über seine Ansichten auf unsere Stadt, die er durch seine vielfältigen Projekte erhält. Eben Kiel backstage, Kiel „hinter der Bühne“.

Kiel backstage: Zeitpläne

Moin!

Ich komme gerade von einer Goldenen Hochzeit und bin bester Laune. Der Auftritt hat unglaublichen Spaß gemacht, auch, weil die Zuschauer so toll mitgemacht haben. Manchmal sind die Leute sehr träge (Wetter, Essen, allgemeiner Charakter, Alkohol), an anderen Tagen ist die Laune schon vor der magischen Einlage ganz oben (Wetter, Essen, allgemeiner Charakter, Alkohol). Im heutigen Fall war das Fest einfach sehr gelungen: Das Team des Gasthofs gab sich Mühe, die Küche überbot sich von Gang zu Gang, die Festgesellschaft mochte sich untereinander und das Goldbrautpaar war seit Stunden schon im Siebten Himmel, weil alles so toll funktionierte. Zwischen Hauptgang und Dessert war nach einer längeren Pause mein Auftritt vorgesehen, man bat mich um 35 kurzweilige Minuten vor dem Nachtisch. Ich stand voll präpariert und mit meinem Koffer in der Hand im Vorflur des Festsaales, die Vorfreude war groß. Gerade, als meine Ansprechpartnerin im Service mir sagte, es könne nun losgehen, sah ich aus dem Augenwinkel eine schnelle, schwarze Masse, die sich mir näherte. Na ja, die an mir vorbeizog. In den Saal. Auf meine Bühne. Jetzt. Die „Masse“ war die lustige Akkordeongruppe der Jubilarin, die sich als Überraschung ausgedacht hatte, ein Best-Of zu spielen. Aus den letzten 40 Jahren Vereinsleben. 10 Seniorinnen also hatten sich 1-a vorgedrängelt. Touché!

Lassen Sie es uns positiv sehen: Ich hatte eine sehr schöne Stunde mehr, in der ich ein angeregtes Gespräch mit dem Serviceteam genoss. Kellnerinnen und Kellner wissen sehr, sehr genau, wie Abläufe funktionieren müssen, damit sie ihren Namen verdienen. Und sie wissen sehr, sehr genau, was es alles schiefgehen kann (TOP 4:Wetter, Essen, allgemeiner Charakter, Alkohol), welche Einlagen es gibt (TOP 3:Die Glocken von Rom, Die Kutsche, Der Geldbaum), wie die DJs heißen (TOP 2: Arne oder Günther) und so weiter. In diesem Fall reichte ein Blick und wir alle wussten: Das wird dauern, der Zeitplan verabschiedete sich quasi per Quetsche. Natürlich haben wir zunächst lachen müssen, da die Akkordeondamen ohne Ankündigung in Joggingtempo so unerwartet an uns vorüberzogen. Relativ schnell wurde es dann zum Running Gag, dass sie einfach nicht aufhörten. Das Tolle daran war jedoch: Die Gäste fanden es toll. Als ich dann verspätet dran war, wussten das nur die Kellner und ich, für die Zuschauer wirkte alles wie professionell organisiert. Wenn die Rahmenbedingungen so prima sind, fallen kleine Unebenheiten eben gar nicht auf oder werden von den Gästen als überhaupt nicht schlimm wahrgenommen. Eine der Musikerinnen sagte übrigens nach meiner Show etwas Liebreizendes zu mir: „Sie nehmen Ihren Beruf ja auch sehr ernst, Sie waren ja schon 90 Minuten zu früh hier!“…